oder: Was ich mir für dich wünsche
Letztens überflog ich auf Facebook einen Artikel. Dieser handelte davon, welche 25 Wörter Kinder mit drei Jahren sprechen können müssen. Ich las diesen Artikel nicht wirklich sondern überflog lediglich die Kommentare. Ein Kommentar übertrumpfte das nächste und alle Mütter schwärmten davon, welche Wörter ihre Kinder schon alle von sich geben könnten und eine Mutter teilte mit, dass ihr Kind sogar „Physiotherapie“ aussprechen kann. Seitdem unser Sohn auf der Welt ist, verkneif ich mir weitestgehend mich bei solchen Themen einzuklinken. Ich finde es schrecklich wie rivalisierend Mütter teilweise untereinander sind und frage mich, wie genau sie davon profitieren. Kommentare von Männern zu solchen Themen habe ich bisher noch keine gesehen – sie wissen vermutlich schon warum sie sich das nicht freiwillig antun.
Da gibt es Richtlinien zu allen möglichen Entwicklungsschritten die Kinder erreichen sollten. Erreichen sie das bis zum angegebenen Zeitpunkt nicht, so sind sie entwicklungsverzögert und auch da gibt es Abstufungen von leicht bis schwer, motorisch, kognitiv usw. Oder wie bei unserem Sohn „global“ – was soviel heißt wie „in allen Bereichen“. Auch im evtl. Integrationskindergarten wurden wir bereits gefragt wie es denn mit der Sauberkeit aussieht und es wurde mitgeteilt, dass es keine Wickelmöglichkeit geben würde. Da frag ich mich allerdings warum es das in einem Integrationskindergarten nicht gibt, denn man muss ja damit rechnen, dass ein evtl. Integrationskind vielleicht noch nicht selbstständig aufs Töpfchen geht, geschweige denn bereits trocken ist. In unserem Fall ist auch so, dass unser Sohn mindestens ein Jahr hinterher hängt also ist ein Töpfchen auch noch gar nicht relevant. Denn gehen wir mal vom eigentlichen kognitiven Entwicklungsalter aus, so ist er derzeit etwa 1 1/2 Jahre alt.
Zur Zeit mache ich mir viele Gedanken, wann denn z.B. endlich der nächste Entwicklungsschritt kommt. Frei stehen kann unser Sohn z.B. immer noch nicht und so überlege ich, wie wir ihn da unterstützen könnten, was es für Hilfsmittel gibt und frage mich sogar, ob Orthesen nicht vielleicht auch langsam angebracht wären. Gleichzeitig versuche ich entspannt zu bleiben, bin aber vielleicht doch nicht so entspannt wie ich gerne wäre. Es ist das Übliche. Alle Kinder um einen herum laufen oder sprechen und wir, wir tragen oder schieben ihn im Buggy umher und versuchen zu erahnen was er uns mitteilen will. Am Ende ist es doch aber eigentlich egal, wann er etwas können wird oder nicht und es wird auch später in seinem Leben vermutlich niemanden mehr interessieren. „Ein Frühchen hat drei Jahre Zeit alles aufzuholen.“ – solche und ähnliche Sprüche hört man andauernd und sollen am Ende ja nur darüber hinwegtrösten, dass es nicht gleich in großen Schritten voran geht und den Eltern beibringen Geduld zu haben. „Ein besonderes Kind sucht sich immer besondere Eltern“ – auch dieser Satz mag am Anfang ganz toll klingen, ist aber am Ende nichts anderes als eine Form Unsicherheit zu überspielen und soll den Eltern helfen, dass Kind als eine Aufgabe anzunehmen, die sie nur bekommen haben, weil man davon ausgeht, dass sie es schaffen und man ihnen ein gutes Gefühl vermitteln möchte. Ich weiß nicht wie viele Mütter und / oder Väter täglich an diese Aufgabe zu scheitern drohen und sich fragen „Warum ich / wir?“ aber ich denke, es sind eine Menge. Wenn die Kinder klein sind, sieht man es ihnen ja auch kaum an, werden sie aber älter, werden die Auffälligkeiten, die für uns normal sind, für andere plötzlich auch ziemlich offensichtlich. So muss man sich dann rechtfertigen warum die Kinder solche Geräusche machen, bestimmte Verhaltensweisen haben, ist unschönen Blicken ausgesetzt und Mütter müssen sich plötzlich anhören, dass sie „ihr Kind doch besser erziehen“ hätten sollen.
Es gibt einen Bekannten, der in einem Laden arbeitet, den wir früher öfter mal besucht haben. Wenn wir gemeinsam da sind, fragt er meistens ganz interessiert, wie es denn dem „Kleinen“ so geht und wie er sich so macht. Geht meine bessere Hälfte alleine, verschwindet dieser besorgte und interessierte Unterton und es kommt die Frage „Na, wie geht’s eurem Mongo?“ Es verletzt uns Beide ungemein und derjenige kann froh sein, dass er das noch nie in meiner Gegenwart gefragt hat, denn sonst wäre ich ihm sicher mal in sein Gesicht gesprungen. Rechtfertigen tut er den Begriff „Mongo“ übrigens mit dem großen Kopf, den Kinder ja als Säuglinge und Kleinkinder haben – das ist übrigens auch ein Teil vom sogenannten „Kindchenschema“. „Das Kindchenschema umfasst eine Reihe kindlicher Körpermerkmale, etwa einen großen Kopf mit hoher Stirn, runde Wangen und große Augen. Verhaltensstudien bestätigten die Wirkung des Kindchenschemas auf Erwachsene. Das Kindchenschema ist ein angeborener Auslösemechanismus, eine vereinfachte Bezeichnung für Schlüsselreize, die besonders Kleinkinder und junge Tiere aussenden, wobei die Signale vor allem den Kopf betreffen, der durch seine relative Größe im Verhältnis zum übrigen Körper auffällt (…)“ (Erklärung) Nichtsdestotrotz finde ich diese Aussage von besagten Bekannten unterirdisch, denn egal wie auch immer er das begründet, ist das eine Aussage, die man nicht treffen sollte! Ich denke, die betreffende Person wird schon wissen, dass er gemeint ist, wenn er das mal lesen sollte….
Doch kommen wir zum eigentlichen Teil dieses Textes. Dinge, die ich mir für meinen Sohn wünsche, auch wenn das sicher einige sind und im Laufe der Zeit auch noch einige hinzukommen werden:
Ich wünsche dir, dass du deine aufgeschlossene, freundliche und freche Art beibehältst. Das du dein Lachen nie verlierst, egal wie schwer es auch manchmal ist.
Ich wünsche dir, dass du all die Dinge aufholst, auf die wir jetzt schon solange warten und du deinen Weg irgendwann ohne Ärzte und Therapeuten gehen wirst.
Ich wünsche dir, dass dich die Leute in deinem Umfeld so akzeptieren werden, wie du bist, egal wie auch immer du dich entwickeln wirst und das du immer Menschen um dich herum hast, die für dich da sind und dich respektieren.
Ich wünsche dir, dass du dich zu dem Menschen entwickeln kannst, der du später ein mal sein willst.
Ich wünsche dir, dass du einmal ein großer Bruder sein wirst, der den Namen auch verdient.
Ich wünsche dir, Spaß und Freude am Leben und eine Familie, die immer für dich da ist, für dich kämpfen wird und die richtigen Entscheidungen für dich trifft solange du es noch nicht kannst.
Ich wünsche dir, dass du trotz aller Hindernisse deinen Weg gehen wirst und es den Menschen zeigst, die je an dir gezweifelt haben.
– Ich liebe dich –