„Manchmal ess ich heimlich schnell einen Joghurt vor dem Kühlschrank um mal etwas alleine für mich zu haben.“

Zwischen Heute und meinem letzten Eintrag liegen fast 6 Monate. Viel ist seitdem geschehen. Ich erinnere mich schmerzlich daran zurück wie ich Zuhaus auf unserem Sofa saß und ganze Flüsse an Tränen vergossen habe, bevor und während ich den letzten Eintrag schrieb. Heute möchte ich euch mitteilen was wir in der letzten Zeit erlebt haben, denn alle Gefühle waren vertreten.

Im Juli hatte unser Sohn zwei Operationen. Bei der Ersten wurde seine Harnstauungsniere 3.Grades rechts operiert, da mittlerweile bereits die Niere und das Nebennierengewebe erweitert waren. Ebenfalls wurde die besprochene Muskelbiopsie durchgeführt. Die OP verlief gut und ohne Komplikationen. Niemand der es nicht selbst erlebt hat kann sich vorstellen wie hart es sein kann, sein Kind im Bettchen über den Gang Richtung OP zu schieben um es dann einer wildfremden Person anzuvertrauen. Unser Sohn, bereits leicht betäubt, lächelte noch ein mal ganz benommen während sein Vater und ich uns von ihm „verabschiedeten“, uns danach in die Arme nahmen und gegenseitig die Tränen wegwischten. Danach verging die Zeit so gut wie gar nicht und die Zeiger waren wie festgeklebt. Umso glücklicher waren wir als er nach 5 Std. endlich aus dem OP geholt und auf Station gebracht werden konnte. Die OP vertrug er, überraschenderweise sehr gut, und nur wenige Tage später konnten wir wieder Nachhause. Drei Wochen später folgte die Zweite OP. Der Urea-Stent denn er erhalten hatte damit alles gut verheilen konnte, musste wieder entfernt werden. Ebenfalls wurde der beidseitige Hodenhochstand korrigiert werden. Dieses Mal waren wir bereits geübt und gaben ihn tapfer in die erneut fremden Hände, die ihn bereits am OP – Saal erwarteten. Auch die OP vertrug er ohne Probleme. Kurz vor der OP besuchte uns ein Arzt aus der Entwicklungsambulanz. Er hatte an diesem Tag unser Rezept für einen HighLow Hochstuhl vom Sanitätshaus ausgestellt und gesehen, dass wir stationär aufgenommen worden sind. Wir besprachen eine weitere Vorgehensweise, nämlich eine Blutabnahme um unseren Sohn auf AMD (=amyodrophe Muskeldystrophie) testen zu lassen um wirklich alle Ursachen für die Hyopotonie ausschließen zu können. Nicht zu vergessen, unser Sohn erhielt für beide Ops eine sogenannte „triggerfreie“ Narkose – hätte er wirklich eine Muskelerkrankung würde eine normale Narkose unter Umständen einen Kreislaufzusammenbruch hervorrufen.

Zwei Tage nach der OP dürften wir Nachhause und konnten die Vorbereitungen zum ersten Geburtstag treffen, denn dieser stand nur wenige Tage danach an. Wir erwarteten viele kleine und große Gäste, hatten für genügend Essen und Getränke gesorgt und konnten bei besten Wetter die gemeinsame Zeit genießen. Unser Sohn war allerdings noch ziemlich unbeeindruckt von dem was um ihn herum geschah.

Parallel zu allem lief auch noch die Eingewöhnung in der Kita da ich bereits ab Ende Juli wieder mit arbeiten angefangen habe. Unserem Sohn gefällt die Kita gut. Er mag es mit anderen zusammen zu sein, ist interessiert und brabbelt nach der Kita wie ein Weltmeister, so als würde er alles erzählen müssen was tagsüber passiert ist. Zwar ist er auch oft Zuhaus, z.B. wegen Frühförderung oder weil er krank ist (das sind die ganz Kleinen ja leider ziemlich häufig), aber Zuhaus ist es auch schön.

Im September hatten wir unsere erste Vorstellung im SPZ. Die Ärztin verschaffte sich einen Überblick über unseren Sohn, begutachtete ihn von oben bis unten. Er wurde gewogen, gemessen, Reflexe getestet, beobachtet. Danach erfolgte ein langes Gespräch mit mir über seine Entwicklung, seine Geburt usw. Und endlich gab es auch einen Lichtblick denn lange hatte ich Bammel vor diesem Termin. Sie sagte, dass sie einen frühkindlichen Hirnschaden erst mal ausschließen würde denn dafür würde er sich zu gut entwickeln – klar er war zwar schon über ein Jahr alt und konnte sich bisher nur rollend durch die Gegend bewegen, aber er spielt und ist interessiert, dass sind alles gute Zeichen. Abgesehen davon würde man erst mit zwei Jahren ein MRT machen denn vorher wäre das Gehirn noch nicht ausgereift und würde sich zu schnell verändern. Generell würde es aber keine Indikation geben, momentan. Ein riesen Stein fiel mir vom Herzen. Auch die anderen Ergebnisse wurden besprochen. Die Muskelbiospie als auch die Blutuntersuchung waren unauffällig und alles gut. Die Ärztin sagte dann, dass er möglicherweise eine kleine Veränderung an irgendeinem Chromosom hätte, welches könnte man momentan nicht sagen, aber dies wäre eine Möglichkeit da sonst alles unauffällig war. Danach mussten wir noch mal zur Physiotherapie. Auch sie begutachtete meinen Sohn, fragte nach Fähigkeiten, Interessen, Abneigungen bei Spielzeug usw. Der nächste Termin steht in zwei Wochen an und eingeplant sind 3!!!! Stunden. Ich frag mich, was man 3 Stunden mit einem 1 1/2 Jahre alten Kind dort macht?! Ich lass es euch wissen 😉 Es steht auf jeden Fall eine „Testung“ an.

In der Humangenetik waren wir auch. Auch dort wurde über die Blutergebnisse gesprochen die keine Ergebnisse brachten. Es wurde über eine komplette Chromosomenanalyse gesprochen und darüber, dass die Kassen das bisher nicht bezahlen und wir 2-3 Jahren warten sollen und es dann sicherlich übernommen wird. Allerdings, sollten wir noch mal Nachwuchs haben wollen, sollten wir unser Erbgut untersuchen lassen um auszuschließen, dass ein weiteres Kind dieselbe „Problematik“ haben könnte. Was sollte das allerdings dann für uns bedeuten? Wie groß ist denn dann die Wahrscheinlichkeit diese genetische Besonderheit weiterzugeben oder am Ende sogar weitaus deutlicher ausgeprägt? Selbst mit der Wahrscheinlichkeit, dass es an uns liegt, kann uns doch kein noch so guter Humangenetiker sagen, ob ein nächstes Kind ebenfalls die Hypotonie bekommen würde oder nicht. Zumindest warten wir noch auf ein weiteres Blutergebnis, was eigtlich nach 3 Monaten da sein sollte, bisher aber noch nicht ist.

Ansonsten gibt es nicht soviel zu berichten außer, dass sich unser Sohn momentan richtig super entwickelt. Er hat einen Rehabuggy bekommen in dem er gut sitzen kann und gestützt wird, sowie einen Hochstuhl für die Kita und Zuhaus. Seitdem er diese Hilfsmittel hat, ist er viel interessierter und aufgeweckter und auch die Hypotonie hat sich verbessert. Er ist jetzt 18 Monate und kann schon einige Minuten alleine sitzen – nur leider lässt er sich einfach umfallen, wenn er nicht mehr kann. Und nachdem er mit genau einem Jahr endlich Brei akzeptiert hat und uns damit die Haare vom Kopf gefressen hat, können wir jetzt endlich gekochte Mahlzeiten anbieten oder feste Dinge wie Brot, Obst usw. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, wie man so schön sagt. Und wie sagte eine befreundete Mutti so schön: „Manchmal ess ich heimlich schnell einen Joghurt vor dem Kühlschrank um mal etwas alleine für mich zu haben.“

Ich weiß, der Text ist vielleicht nicht nachdenklich, amüsant oder was auch immer. Ich wollte euch nur ein kurzes Update von uns geben, von dem was aktuell war und auch noch ist. Momentan habe ich nicht viel mitzuteilen. Ich bin dankbar dafür, dass unser Sohn sich so gut entwickelt, entgegen dem was andere gedacht oder gesagt haben und wir auch häufig selbst zu denken vermag aber uns nicht getraut zu sagen hatten. Geduld ist kein Allerheilmittel aber es ist wichtig sich dem Tempo des Kinder anzupassen, sich nicht an Tabellen zu halten, sein Kind mit anderen zu vergleichen. Entschleunigung bringt häufig mehr, mehr für einen selbst und mehr fürs Kind. Sowie Vertrauen darin, dass Alles gut wird, egal wie es aussieht. Alles hat seinen Grund. Und wenn ich mein Kind sehe wie es sich entwickelt, wie es strahlt, der Körper vor Euphorie beginnt zu zittern weil er etwas sieht was ihn belustigt oder er haben will, weil er laut schimpft, da ich etwas alleine essen möchte oder sein Essen gerade ins Zimmer bringe oder er mich fest an sich drückt, wenn ich ihn zwischendurch in den Arm nehme oder ihn aus der Kita abhole, dann fühl ich einfach nur Glück und Freude, sowie Dankbarkeit denn es könnte auch anders sein.

 

 

 

 

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